Tabea Trietsch: Chop Suey

Sie saß hilflos am Tisch. Sie wartete in Gedanken versunken auf ihre Freundin in einem Café, das sie einst gemocht hatte. Die Stadt war ihr einmal schön vorgekommen, die verwinkelten Gassen, die kleinen Boote, die dicht aneinander gedrängten Häuser und die vielen kleinen Schlupflöcher hatte sie gemocht. Doch nun hatte sie vor allem Angst, sogar vor ihrer Familie, aber am meisten vor ihrem Vater. Er war für sie ein Monster geworden. Sie wollte mit Nadja über ihre Probleme sprechen, doch ob sie es verstehen würde, wusste sie nicht. Sie wollte auf keinen Fall, dass sie zur Polizei geht. Es wäre zwar richtig, doch er müsste wahrscheinlich den Rest seines Lebens im Gefängnis verbringen – und das wollte sie nicht. Die Vorstellung war einfach schrecklich.

{gallery}2013/OVAG,single=Edward_Hopper_08.jpg,salign=right,width=300{/gallery}Plötzliche setzte sich Nadja neben sie und sah sie an: „Monika, ist alles in Ordnung?“ Nein, ihr ging es gut. „Irgendetwas hast du doch, ich kenne dich nun wirklich lange genug, um das zu sehen!“ Sie hatte recht, sie kannte ihre Freundin wirklich ziemlich gut, ein Grund mehr, es zu verschweigen. Sie wollte diese Freundschaft nicht auch noch zerstören. Erst vorgestern hatte sie sich von ihrem Freund getrennt. Sie hätten eigentlich bald heiraten sollen, denn ihre Väter hatten sie als sie noch Kinder waren, miteinander verlobt. Sie versuchte, Nadja das Problem zu schildern und fragte: „Was würdest du machen, wenn jemand, der dir sehr nahe steht, aus deinem Leben tritt und die Folgen, die dies mit sich zieht, schrecklich sind? Eine dieser Folgen ist, dass ein Verwandter ein schlimmes, nicht zu verzeihendes Verbrechen begeht und du willst nur weglaufen, weißt aber nicht wohin, denn plötzlich hast du vor allem Angst. Dich erschrecken Äste, die knacken und kannst abends nicht mehr vor die Tür. Du irrst umher, weißt aber nicht, wem du das Geheimnis anvertrauen kannst und wem nicht. Würdest du es mir erzählen?“ Nadja sagte eine Weile nichts und seufzte dann:“ Schwierige Situation“. Sie riet ihr, in einem Brief alles aufzuschreiben und diesen anonym abzuschicken. Sie hatte recht, es könnte ihr helfen. Doch nun wollte sie nicht weiter darüber sprechen und bedankte sich für ihren Rat. Beide bestellten Kaffee und aßen stillschweigend ihren Kuchen und hörten dabei dem Pärchen zu, das am Nachbartisch saß und sich über die Bedienung beschwerte. Beiläufig bemerkte sie, dass sie schon eine Weile hier saßen und erschreckt sprang Nadja auf, bezahlte und verabschiedete sich schnell und eilte zu dem Treffen mit ihrer Mutter.

Monika beneidete sie um ihr harmonisches Familienleben. Sie fragte die Kellnerin nach Zettel und Stift. Es fiel ihr schwer, ihre Gefühle in Wort zu fassen. Es schien ihr, als ob es falsch wäre, ihren Vater so darzustellen. Aber es war ihr wichtig, dass ihre beste Freundin die Wahrheit erfuhr. Sie brauchte lange für den Brief, raffte sich dann aber auf und warf ihn in den Briefkasten, klingelte, rannte weg. Nadja wusste sofort Bescheid. Sie hatte geahnt, dass es so kommen würde. Behutsam öffnete sie den Brief und las. Sie schwieg und ging langsam ins Haus zurück.

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