„Wie wird in Ihrer Familie an den Zweiten Weltkrieg erinnert?“
„Inwiefern haben Sie vergeben?“
„Auf welche Art und Weise wird in Ihrer Familie mit den Taten Ihres Vaters umgegangen?“
Das sind nur einige wenige von den Fragen, die deutsche Preisträger des Geschichtswettbewerbs des Bundespräsidenten und italienische Preisträger des dortigen Geschichtswettbewerbs Zeitzeugen stellen konnten. Im Rahmen des von der Körber-Stiftung initiierten Eustory Networks durften 11 Jugendliche, darunter sowohl Italiener als auch Deutsche, sich vom 28. 6. bis 6. 7. 2014 in der Toskana auf Spurensuche begeben. Gerade gegen Ende des Krieges fanden in Italien, speziell in der Toskana, eine Vielzahl von Kriegsverbrechen statt. Diese richteten sich nicht nur gegen die italienischen Zivilisten, durchgeführt von Anhängern der Waffen-SS, sondern auch gegen deutsche Soldaten, durchgeführt von Partisanen.
Auf Grund dieser Geschehnisse fanden wir uns zusammen und recherchierten und forschten in Castelnuovo Berardenga. Denn auch hier fanden Massaker gegen italienische Zivilisten statt. Wir führten sowohl Gespräche mit italienischen Opfern, die während der Tat noch Kinder waren, als auch mit Kindern von Tätern. Darüber hinaus besuchten wir auch die Orte der Massaker und Christiane Kohl, eine deutsche Journalistin und Schriftstellerin, die sich seit vielen mit den Krieg verbrechen gegen die italienische Zivilbevölkerung beschäftigt, gab uns einen vielschichtigen Einblick in die Geschehnisse, die gegen Ende des Krieges stattfanden. Wir wurden auch Zeugen von Begegnungen von Opfer und Tätern und viel mehr auch von Vergebung. Aus bloßen Zahlen wurden persönliche Geschichten und Schicksale.
Wir führten nicht nur Zeitzeugengespräche, sondern konnten auch an dem Historiker-Konvent teilnehmen, der zur gleichen Zeit auch in Castelnuovo Berardenga stattfand. Wir beschäftigten uns auch mit der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg in der eigenen Familie, um einen persönlichen Bezug herstellen zu können. Kerstin von Lingen, eine Wissenschaftlerin von der Universität Heidelberg gab uns direkt zu Beginn einen Einblick in den historischen Kontext, sodass wir die einzelnen Geschehnisse auch richtig einordnen konnten.
Schließlich konnten wir das italienisch-deutsche Theaterprojekt „Blutige Aprikosen“, das Ulrich Waller inszeniert hat und sich speziell mit den deutschen Kriegsverbrechen auseinandersetzt, besuchen.
Im Großen und Ganzen beschäftigten wir uns mit der Erinnerungskultur und deren Notwendigkeit. Durch die deutsch – italienische Zusammenarbeit, die durch Dolmetscher unterstützt wurde, bekam man von beiden Seiten Einblicke, die wir schließlich zu einem Gesamtbild zusammenfügen konnten. Ähnlich verhielt es sich auch mit den Gesprächen, die wir mit den Zeitzeugen führten.
Doch eines war gerade den italienischen Zeitzeugen wichtig: Ein geeintes Europa ist eine einmalige Chance auf Frieden und gerade die nachfolgenden Generationen sollten gewillt sein, diesen zu erhalten. Frieden und Zusammenarbeit ist nur durch Erinnerung und eine gemeinsame Erinnerungskultur möglich. Wir müssen erinnern, um den Schrecken der Vergangenheit nicht wiederkehren zu lassen. Vielmehr sollten wir uns von jeder Ideologie und jedem Fanatismus fernhalten, um Zusammenhalt über die Grenzen hinweg zu ermöglichen.
Sarah Noske hat 2014 das Abitur abgelegt. 2013 nahm sie zusammen mit Marie Püchner am Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten teil. Ihre Arbeit wurde mit einem Landespreis ausgezeichnet.