Im Foyer der Chirurgie am Uni-Klinikum greift eine Plakat-Ausstellung Margot Friedländers Appell »Seid Menschen« auf. Schüler nehmen damit auch Bezug auf die »Bitte-Danke«-Banner von Nikolaus Koliusis.
Auch kurzfristig entstandene Projekte führen zu staunenswerten Ergebnissen. Das »Bitte-Danke«-Banner von Nikolaus Koliusis im Foyer des Chirurgie-Treppenanbaus an der Rudolf-Buchheim-Straße gab den Anlass, dass Vera Terrode, Vorsitzende des Freundeskreises der Kunst im Uni-Klinikum und Lehrerin am Landgraf-Ludwigs-Gymnasium (LLG), ihrem Kunstkurs der 12. Jahrgangsstufe die Aufgabe stellte, Plakate zur Frage des menschlichen Miteinanders zu gestalten.
Das bot sich an, da das Thema ohnehin Fotografie war und die Schüler und Schülerinnen mit Plakatwerbung und den politischen Aussagen eines Klaus Staeck bekannt gemacht worden waren. Allerdings war der zeitliche Rahmen für die praktische Ausführung denkbar kurz, in nur 14 Tagen erstellten die 18 Teilnehmenden ihre Plakate auf dem PC. Es gab keine gemeinsame Betrachtung und Diskussion der Ergebnisse. Was bei einigen Arbeiten sicher zu technischer Verbesserung, bei anderen zur Fokussierung der Bildaussage beigetragen hätte. Bei der Ausstellungseröffnung am späten Donnerstagnachmittag begrüßte Dr. Susanne Ließegang, Kunstbeauftragte des Universitätsklinikums Gießen (UKG). Sie erzählte, warum das »Bitte-Danke«-Banner von Nikolaus Koliusis, das dieser in der Pandemie-Zeit gefertigt hatte, nun auf der unteren Etage des Chirurgie-Treppenanbaus hängt. Es hängt dort als Ersatz für das blaue Bild, das als Teil des Kunst-am-Bau-Ensembles (1996) fast 30 Jahre lang unbehelligt dort hing und Anfang des Jahres zerstört wurde. In Rücksprache mit dem Stuttgarter Künstler hat sie das »Bitte-Danke«-Banner gehängt, um auf den respektvollen Umgang der Menschen miteinander hinzuweisen, was auch den Respekt für Kunstwerke mit einschließt.
Kunst-am-Bau-Bild wurde zerstört
Prof. Martin Schneider begrüßte die Gäste für das UKG, wies auf die große Bedeutung von Mitmenschlichkeit im Kliniksalltag hin und bedankte sich bei den Schülern und Schülerinnen für ihre Plakat-Anregungen. Vera Terrode erzählte von der Entstehung der Arbeiten, auch dass in dieser Zeit die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer im Alter von 103 Jahren starb. Sie war in hohem Alter unermüdlich durch Deutschland gereist, hatte immer wieder von ihren Erlebnissen berichtet und gemahnt: »Schaut nicht auf das, was euch trennt. Schaut auf das, was euch verbindet. Seid Menschen. Seid vernünftig.«
Das schlichte »Seid Menschen« wurde zur motivbestimmenden Aussage auf vielen Plakaten, eines zeigt sogar das Gesicht von Margot Friedländer mit ihrer Aufforderung. Auf den vielen Plakaten sind Menschen freundlich miteinander, kümmern sich um andere, reichen einander die Hand.
Es gibt auch Aussagen zur aktuellen politischen Weltlage, in der Diktatoren und Oligarchen Kriege anzetteln, Menschen in kriegszerstörten Städten ihren Alltag bewältigen. Und noch ein Friedländer-Zitat: »Damals haben die Menschen gejubelt, gejubelt, weil sie nicht wussten, für was.« Als Hintergrund ist das Foto vom Jubel der AfD nach der Wahl zu erkennen. Wissen die Menschen heute wieder nicht, für was sie abstimmen?
Anzuschauen sind die Plakate quasi rund um die Uhr, zumindest die nach außen weisenden an der halbrunden gläsernen Außenwand des Treppenanbaus. Im Innenraum hängen weitere auf zwei Ebenen.
Aus der Gießener Allgemeinen Zeitung vom 06.06.2025