Zum Ende des Schuljahrs hatte die Schülerzeitung am Landgraf-Ludwigs-Gymnasiums drei Gießener Bundestagsabgeordnete zu Sommerinterviews eingeladen, Prof. Dr. Helge Braun (CDU), Ali Al-Dailami (Die Linke) und Felix Döring (SPD). Ziel war es, die Schülerinnen und Schüler über die politische Arbeit in Berlin zu informieren und ihnen die Möglichkeit für einen inhaltlichen Diskurs mit den Abgeordneten zu geben. Dazu wurden die Abgeordneten zunächst nach einander vom Chefredakteur der Schülerzeitung, Maximilian Stock, interviewt. Anschließend konnten die Schüler den jeweiligen Gästen Fragen stellen.
Als Erster berichtete der ehemalige Kanzleramtsminister Helge Braun über seine Arbeit im Haushaltsausschuss. Auf die Frage, was er in der gegenwärtigen Situation anders machen würde als die jetzige Regierung, nannte er zwei Punkte. Er kritisierte die zögerliche Haltung der Bundesregierung bei der Unterstützung der Ukraine mit Waffen. Außerdem fand er es mit Blick auf die Energie- und Klimakrise falsch, Atomkraftwerke abzuschalten und gleichzeitig an der Braunkohle festzuhalten. Schließlich wandte er sich eindeutig gegen eine Aufweichung der Schuldenbremse. Wer heute Schulden macht, etwa 2,5 Milliarden für einen Tankrabatt, der enge die Gestaltungsräume der nächsten Generation ein, so Braun.
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Angesprochen auf diese Sachlage vertrat der nächste Gast, Ali Al-Dailami, eine vollkommen andere Position. Statt 100 Milliarden in die Aufrüstung der Bundeswehr zu stecken, forderte er Investitionen in Bildung, Gesundheit und soziale Gerechtigkeit sowie einen kostenlosen Nahverkehr. Deutlich wandte sich Al-Dailami auch gegen Waffenhilfe für die Ukraine. Waffen hätten noch nie zum Frieden geführt, was man deutlich am Konflikt in seinem Heimatland, dem Jemen, sehen könne. Statt Waffenhilfe forderte er eine diplomatische Lösung des Konfliktes in der Ukraine. Statt einer Ausdehnung der NATO forderte er, auch die Sicherheitsinteressen Russlands zu berücksichtigen – eine Position, für die er viele kritische Rückfragen von Seiten der Schüler gestellt bekam. Kritisch beleuchtet wurde auch, dass die Fraktion der Linken kürzlich die Anhebung des Mindestlohns im Bundestag abgelehnt hat. Herrn Al-Dailami ist hier wichtig zu betonen, dass die Fraktion die Anhebung des Mindestlohns als nicht weitreichend genug empfindet und die Anhebung der Mini-Job-Grenze ausdrücklich ablehnt.
Wie Al-Dailami sprach sich auch Felix Döring gegen die Schuldenbremse und für Investitionen in die Infrastruktur aus. Als sein wichtigstes Projekt in Berlin bezeichnete der Familienpolitiker die Einführung einer Kindergrundsicherung, um die Kinderarmut in Deutschland zu bekämpfen. Schließlich bezeichnete er es als einen dringenden Wunsch, in der Gesellschaft wieder zu einem Konsens über Fakten und Realitäten zu kommen, da ohne einen solchen Konsens, etwa in Bezug auf den Klimawandel, eine vernünftige Politik nicht möglich sei. Kritisch bewertete er eine mögliche Regierungsbeteiligung der Linken nach der nächsten Bundestagswahl. Er verwies dabei auf die außenpolitischen Positionen der Linken und den innerparteilichen Streit. Döring sieht hingegen realistische Chancen für eine rot-grüne Regierung aus SPD und Grünen.
Während der Veranstaltung wurden alle Angaben der Abgeordneten einem Fakten Check unterzogen. Das Ergebnis hierbei war in der Gesamtheit sehr zufriedenstellend.
Am Ende der dreistündigen Veranstaltung stand der Dank an alle Beteiligten für diese sehr anschauliche und auch kurzweilige Form von Politikunterricht.