Gießen (rsc). Nein sagen will der hessische Finanzminister Michael Boddenberg (CDU) zu »zwei Dritteln der Finanzmittelwünsche bezüglich Digitalisierung« für den nächsten Doppelhaushalt. Das offenbarte er bei einem wirtschaftspolitischen Referat vor Schülern des PoWi-Leistungskurses (Politik/Wirtschaft) der Jahrgangsstufe 12 des Landgraf-Ludwigs-Gymnasiums (LLG).
Denn für Boddenberg haben die Digitalisierungsbemühungen ihre Grenzen. Besonders bei älteren Leuten gebe es massive Widerstände. Welche Investitionen priorisiert würden, wurde er in der Diskussionsrunde gefragt. Antwort: »Digitalisieren oder etwas für die Pendler tun? Die müssen jeden Tag vom Vogelsberg über 100 Kilometer zu ihrem Arbeitsplatz Fraport fahren.«
Für Sozialleistungen habe Deutschland in den letzten Jahren zu viel ausgegeben. »Es gibt in der EU nur wenig Länder, die so viel wie wir verteilen.« Die Rentenkasse werde in unserem Land durch die demografische Entwicklung enorm strapaziert. Er sei ein Befürworter der kapitalgebundenen Altersversorgung. Die Bürger und späteren Rentner sollten teilhaben an der wirtschaftlichen Entwicklung unserer Unternehmen. Also sollten künftige Rentner am Aktienmarkt investieren. Norbert Blüms einstige Aussage, die Renten seien sicher, gelte nicht mehr.
Gefragt wurde danach, wie man die aufgehäuften Schulden abbauen könne. Durch Steuererhöhung, Übergewinnsteuer, Erbschaftssteuer, Vermögenssteuer? Da müsse austariert werden, um eine »einigermaßen gerechte Verteilung« zu finden. »Fakt ist, dass 50 Prozent überhaupt keine Steuern zahlen.« Er meinte viele Rentner, Transferbezieher mit Grundsicherung und Hartz 4, Schüler, Studenten und manch andere. Die höchstens zehn Prozent der Einkommensbezieher zahlten 50 Prozent der Steuern. Er, der Minister, sei einer der wenigen der Partei, bei dem es keine Tabuthemen gebe. »Ich bin bereit, über die Erhöhung des Spitzensteuersatzes zu reden«, und merkt an: »Doch das trifft auch viele Falsche.« Er meine da nicht die Manager, sondern die Betriebsinhaber, die ihr Einkommen in ihre Firmen steckten. »Wir müssen aufpassen, dass die Leistungsträger unserer Gesellschaft, Facharbeiter, Akademiker et cetera, nicht demotiviert werden.«
Wichtig sei, das Steueraufkommen durch prosperierende Wirtschaftsunternehmen zu erhöhen. Am ungerechtesten findet er die Umsatzsteuer, von denen die unteren Einkommen am stärksten betroffen seien. Diese Verbrauchssteuer würde er gerne deckeln. Eine Übergewinnsteuer hält Boddenberg für problematisch, auch wenn er sich seit Jahrzehnten über die Minerölgesellschaften ärgere. Bei der Vermögenssteuer sieht er eine Betriebsgefahr bei den Mittelständlern. Bei Erbschafts- und Schenkungssteuer befürchtet er einen Aderlass bei den Erben. »Das sind alles keine großen Posten, mit denen wir unsere Probleme lösen können.«
Inflation als großes Problem
Und wie die Inflation bekämpfen? »Wir haben darin keine große Erfahrung«, bekennt er. Bedingt sei sie derzeit hauptsächlich durch die Energiepreise. Mit Wirtschafts- und Fiskalpolitik in das Marktgeschehen einzugreifen, sei nur sehr begrenzt möglich. »Die Inflation bekämpfen wir gerade mit dem Tankrabatt. Das geht voll in die Hose.«