LESUNG Hilde Schramm stellt an LLG ihr Buch „Meine Lehrerin, Dr. Dora Lux“ über eine mutige Frau im Nationalsozialismus vor
GIESSEN - (ies). „Für meine Selbstfindung war der Einfluss von Menschen entscheidend, die eine Gegenwelt zur NS-Ideologie verkörperten. Menschen, die mir eine Ahnung davon vermittelten, wie befreiend Humanität und Aufklärung sein können. Eine solche Erfahrung verdanke ich meiner Lehrerin“: Dieser Auszug stammt aus dem Buch „Meine Lehrerin, Dr. Dora Lux“ von Hilde Schramm. Er bringt das ganz besondere Streben der Autorin auf den Punkt, das Leben ihrer ehemaligen Geschichtslehrerin näher zu beleuchten und zu würdigen. Für eine Lesung war die 1936 geborene Autorin nun in der vollbesetzten Mensa des Landgraf-Ludwigs-Gymnasiums (LLG) zu Gast.
„Die Begegnung mit Zeitzeugen wird nicht mehr vielen Schülern gegeben sein“, betonte die ehrenamtliche Stadträtin Monika Graulich als Vertreterin des „Vereins gegen das Vergessen“. Und die Schüler nahmen diese Chance wahr, ruhig und interessiert verfolgten sie die beeindruckende Lesung. „Mein Vater ist Albert Speer; er war Hitlers Architekt, von 1942 bis Kriegsende Minister für Bewaffnung und Munition; im Nürnberger Prozess wurde er als Kriegsverbrecher verurteilt. Meine Herkunft zwang mir eine frühe und nicht abschließbare Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus auf“, trägt Hilde Schramm vor. Schon in jungen Jahren begab sie sich auf eine ganz persönliche Spurensuche, um das Leben ihrer jüdischen Lehrerin zu rekonstruieren. Diese war schon von Kindesbeinen an nicht im jüdischen Glauben erzogen worden, der Vater trat früh aus dem Judentum aus und ließ seine Kinder evangelisch taufen. Die Kinder wuchsen emanzipiert auf, früh formte sich eine unabhängige, sehr eigenständige Persönlichkeit der späteren Studienrätin.
Dora Lux gehörte zu den allerersten Abiturientinnen und Studentinnen des Landes, erhielt 1933 Berufsverbot und überlebte das „Dritte Reich“, indem sie sich als Jüdin nicht registrieren ließ – eine bisher kaum erforschte Form des Widerstands gegen die Staatsmacht. Hilde Schramm hat diesen in einer Biographie zusammengefasst, die das Leben einer mutigen und unangepassten Frau in beeindruckender Erzählweise wiedergibt.
Hilde Schramm wurde in Berlin geboren, studierte Germanistik, Latein, Erziehungswissenschaften und Soziologie, promovierte und habilitierte. Für die Alternative Liste saß sie als Abgeordnete im Berliner Landesparlament. Sie setzt sich öffentlich für die Interessen der Opfer des Nationalsozialismus ein und ist Mitbegründerin der Stiftung „Zurückgeben“. 2004 erhielt sie den Moses-Mendelssohn-Preis für ihr Lebenswerk.